i-camp Wir waren nie weg. Die Blaupausel von Christiane Mudra
Die zwei Seiten einer Medaille
… oder auch, wenn die Selbstherrlichkeit die Herrschaft übernommen hat und folglich staatliche Akten mit dem Vermerk „ungültig“ abgestempelt und willkürlich geschreddert werden können, konsequenzlos. Es sind die „Dienstleister für Demokratie“, 2800 Mitarbeiter, die im Schatten für ihre Vorstellung von Ordnung sorgen. „Ich bin das Amt … Ich bin das Amt …“ und ihnen gegenüber die „Ich bin keinem Gesetz verpflichtet, außer dem des Überlebens.“ Wären da nicht die vielen vielen Berichte in den Medien, die wie Blaupausen an die Öffentlichkeit gelangen, so bliebe alles im Dunkel der Macht. Recht, Recht haben, sich im Recht fühlen, … und letztlich Rechts vor Links. Darin gründen die Ansichten und die daraus resultierenden Beweggründe für die zwei Parteien, die ein Spiel spielen.
Tief verwurzelt im Volk, im Gemüt und in der Sorge um ein wenig Sicherheit und ruhigen Schlaf im Chaos des Daseins, ist die Jahrhunderte alte Erfahrung von militärischer Aufstellung, Wachsamkeit und Schlachtordnung. In ihr manifestiert sich eine Vorstellung von Ordnung, von Bürgschaft für Bürgerschaft. Doch mit der Regulierung wächst auch die Phobie, sie ist, wie die Sehnsucht nach Freiheit, Teil der Natur, damit auch der Natur des Menschen und findet sich auf beiden Seiten. Sie zu erkennen und zu überwinden, könnte den Weg frei machen für eine zivilisierte humanistische Gesellschaft. Doch ist das überhaupt gewollt, möglich?
Man schreibt das Jahr 2015. In München läuft ein Prozess gegen eine Zelle der rechtsextremen Szene - zwei Jahre, 83.000 beschriebene Blätter Papier, ein Richter, ein Staatsanwalt, drei Pflichtverteidiger und eine Angeklagte. Ein Aufsehen in dem immer wieder Verflechtungen und Aktionen beider Seiten offen gelegt werden. Ausgang …
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Andrim Emini, Sebastian Gerasch
© E. Beierle
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Christiane Mudra hat sich des zeitlos hochaktuellen Themas angenommen und konzipierte, nach akribischer Recherche, die Performance „Wir waren nie weg. Die Blaupause“. Sie inszenierte darin sowohl eine Reise durch München und Deutschland, als auch eine Reise durch die Zeit. Von der Gedenktafel für ein Anschlagsopfer, der scheinbar zufällig in der Nähe des ehemaligen Unterschlupfs eines Aktivisten zu Tode kam, über das Attentat auf dem Oktoberfest 1980, bis zum Prozess 2015 zog sich der braune Faden. Wer ihm folgte, der fand ein Netz aus kleinen braunen Zellen erkennbar. Braun wie die Erde, mit der Mensch sich verbunden fühlt, die seinem Herzen Heimat ist. Für die einen erwächst daraus völkische Tradition, für die anderen Anlass zu Kampf. Was ist Wahrheit, was Illusion, was Realität?
Vor der Gedenktafel an der Trappentreustraße begann die Erfahrung. Andrim Emini moderierte das Vergangene und nahm zugleich auch den Kampf gegen plötzlich sichtbar gewordenen Geister auf. Vergeblich versuchte er sie zu vertreiben. Die Darsteller trugen die Kleidung des klassischen Western. Diese Maskierung ist ein gewohntes Synonym für freie individuelle Auseinandersetzung und das Recht des Gesetzestreuen, des Stärkeren, des Schnelleren, des Skrupelloseren, des … findet hierin seinen adäquaten Ausdruck. Mit im Winde fliegenden Mänteln, großen Hüten und dem Colt im Halfter hoben sich die Darsteller auffällig im Alltagsgeschehen ab. Dann ging es mit der modernen Postkutsche, der Trambahn, an die Theresienwiese zum Denkmal. Hier standen die Beteiligten am Attentat im Mittelpunkt und mit den Zitaten der damals festgehaltenen Aussagen beschworen sie die unterschiedlichen Ansichten hervor. Sebastian Gerasch verkörperte selbstgefällig den maßgeblichen Sheriff. Dieser hatte sich mit dem Versuch der Aufklärung goldene Sporen verdient. Und zudem ein Buch über den „echten Einzeltäter“ mit 383 Seiten Umfang verfasst, welches er auch signierte. Die Schauspieler breiten erzählend, sowie die Figuren wechselnd darstellend, die Geschehnisse und Hintergründe vor dem Publikum aus. Berivan Kaya gab aufrecht klar den Top-Quellen der Szene Gestalt und Stimme. Während Christina Baumer empathisch mit „Es war einmal ein kleines Nest im Thüringer Wald …“ weitere braune Fäden zwischen den Seiten der Medaille verknüpfte. Murali Perumal schaute als Aktivist, zutiefst vom Ernst und der Bedeutung seiner Aufgabe überzeugt, unter der Hutkrempe hervor – kraftvoll stechend der Blick, siegessicher. Einmal waren wichtige Akten entwendet worden und der Sheriff machte mit dem Fahrrad Jagd auf den Dieb, verfolgte ihn über die Theresienwiese. „… ein Sheriff sollte Mut haben und etwas Ehre im Leib …“ Was als absolut skurriles Bild herüberkam, veranschaulichte durchaus humorvoll die Skurrilität einer solchen realen Situation. Und eine Portion Humor braucht es zweifelsohne, wenn man sich mit dem Thema auseinandersetzt. Am Kaiser-Ludwig-Platz in München heulte die echte Polizeisirene, während in der Aufführung die Figuren der Schattenpolizei den Wohnwagen mit den Leichen von zwei Männern vor einer Spurensicherung sicherten und abtransportieren ließen. Wohin?
Der Faden der Geschichte führte weiter gesponnen in einen Saloon und endete schließlich im virtuellen Heute im Theater i-camp. Ein leitender Beamter (überzeugend taktierend Sebastian Gerasch), der schwitzend den „Staatswohlgedanken“ vertrat und ein Aktivist (unbeirrbar aggressiv Murali Perumal) „schlag das System mit seinen Waffen“, saßen sich in verschiedenen Räumen gegenüber. Verbindung und Ähnlichkeit wurden von weißem Nebel überdeckt, in dem auch die Worte und Phrasen aufgingen, zu verdunsten schienen auf den zwei Projektionsflächen, den Bildschirmen, den aktuellen Kampfarenen. Dieser Akt der Auflösung bildete zweifelsohne einen Höhepunkt in dieser dokumentarisch, künstlerisch hervorragenden Inszenierung.
„Bevölkerungsgruppen ohne Lobby“, wie das Publikum beispielsweise, die dem Spiele zu folgen verdammt sind und die sich bestenfalls die Stellen an denen sie Applaus spenden aussuchen können, bilden eine unüberschaubare Mehrheit. Für Jene, die daraus hervortreten wollen, war die gelungene Zusammenfassung von Geschichte eine wahrhaftig aufklärende. Eine Teilhabe kann in jedem Fall nur empfohlen werden.
C.M.Meier
Weitere Vorstellungen: 24. (ausverkauft!) / 25. / 26. / 30. / 31. Juli + 1. / 2. August, 19:00 Uhr
Spielort: Stadtraum
Reservierung: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Information: www.i-camp.de
Wir waren nie weg. Die Blaupause
Ein heimattreuer Western von Christiane Mudra
Christina Baumer, Andrim Emini, Sebastian Gerasch, Berivan Kaya, Murali Perumal Musik: Michail Winnizkji, Leonid Khenkin, Boris Kupin
Konzept/Recherche/Text/Regie: Christiane Mudra
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i-camp EiNer tanzT aus der ReiHe von Sophie Killer
Quintessenz des Lebens
Es gibt sie, die geistige Qualität in der alle Menschen miteinander verbunden sind und wer sie zuzulassen vermag, ist bei aller vorgestellten Einsamkeit in seinem Körper doch auf wunderbare Weise mit einer großartigen Gemeinschaft verbunden. Zumal es eine andere in dieser Welt nicht gibt. Der Humor vermag es alle Grenzen, die tatsächlichen und die eingebildeten, zu überwinden. Seine Erscheinungsform nimmt in den unterschiedlichen Kulturen, in deren Gepflogenheiten verschiedene Ausprägungen an, die jedoch alle ausnahmslos in ein feines gelassenes Lächeln münden.
Alle menschlichen Bemühungen wider diese Haltung führten und führen sich selbst ad absurdum. Ein kurzer Blick auf die Geschichte bestätigt dies. Kultur bietet einen Rahmen, während Konventionen die Seile der Gewohnheiten bilden die zu Sicherung, dem Festhalten einladen und doch nur die ewigen Irrtümer bestärken. Wenn beispielsweise im Heute die Gesellschafts- und Lifestylefunktionäre männlichen und weiblichen Geschlechts, wie die Schaufensterpuppen im System, an den längst bekannten Fäden abhängen und bestenfalls das vorsichtige Winken mit einem Arm eine letzte menschliche Regung vorstellt, spätestens dann ist es Zeit die beherrschenden Konventionen zu entrümpeln, zu revolutionieren. Den Ernst gilt es vom Ernst zu befreien, ebenso wie die Fäden des Schicksals in die eigenen Hände zu nehmen oder gar sich ihrer zu entledigen, um sich erneut in naturgemäßem Brauchtum zu versuchen.
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Sophie Killer
© Ulrich Stefan Knoll
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Tanz ist die unmittelbare Ausdrucksform für Lebendigkeit. In ihm finden sich Fantasie und Realität in klaren Bewegungen und Gesten geeint, die von Musik getragen wirken - so jedenfalls in der Tradition. Im Tanztheaterstück von Sophie Killer war es der Humor, die heitere Gelassenheit im Wissen um die menschliche Unzulänglichkeit, der die Botschaft trug. Naturgeräusche oder Musik riefen passagenweise bekannte Erfahrungen wach, verstärkten Eindrücke. Das in Zusammenwirken mit Thalia Killer (Bühne und Kostüm) entstandene Werk erzählt die Geschichte eines Menschenlebens. Vom Ausharren im Dunkel beim Herzschlag der Mutter, über die ersten Schritte, die erste Liebe und die zwangsläufigen Missverständnisse, bis zum Ausloten der Grenzen – das waghalsige Erklimmen einer Karriereleiter in schwindelerregende Höhen, um letztlich kopfunter, nur durch die eigenen Beine gesichert, zu erstarren - reihten sich die szenischen Bilder. Das dichte Bühnengeschehen bot mehr oder leichter ausgeprägte Momente des farbenfrohen menschlichen Gefühlsspektrums, und, es gipfelte in unkonventionellen Fragen und Antworten. Komik? Nein, bitterer Ernst! „EiNer tanzT aus der ReiHe“, so Sophie Killer, die dem Protagonisten brillante künstlerische Präsenz verlieh. Das Haar grau gepudert, den Schopf zu einer Schlinge geformt, tanzte sie die einsame Erfahrung des Einzelnen. Wer hat noch nie Fragen geäußert? Die an Seilen von der Decke hängenden Puppen verkörperten die Fraglosen, die korrekt gekleidet in ihren Positionen abhängen, still mitmachen im Scheintod der Gefolgschaft. Oder stellen auch sie ähnliche Fragen wie „EiNer“, könnte man sie hören?
Hoffnung, Hoffnung und dann ...
Warum Einsamkeit keine Einsamkeit ist und wir der Grenzen in der Gemeinsamkeit für ein Ich bedürfen – das war in der Inszenierung zu erfahren. In spielerischer Weise und eindringlichen Bildern wurde das Verbindende im Trennenden erkennbar. Der Zauber der Kunst wirkte. Was immer auch der einzelne Zuschauer erfahren hatte, belebte sein Gemüt. Heiter, beschwingt und mit sich und der Welt versöhnt, verließ das Publikum den Spielraum. Das sublime Tanztheaterstück von und mit der jungen Künstlerin Sophie Killer überzeugte auch durch feinen Humor.
EiNer tAnzT aus der ReiHe
von Sophie Killer / Thalia Killer
Ein tragikomisches Tanztheaterstück
Sophie Killer
Bühne und Kostüm: Thalia Killer
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