Teamtheater Tankstelle Erdbeeren im Januar von Evelyne de la Chenelière
Romantik und noch viel mehr
François versucht sich als Drehbuchautor. Egal, ob er weiß, was Gottfried Benn wusste, nämlich, dass jeder Autor immer nur über sich selbst schreibt, so schreibt auch François vornehmlich über sich. Nun, das ist nicht ganz korrekt, denn François erzählt die Geschichte nicht unbedingt so, wie sie tatsächlich stattgefunden hat, sondern so, wie er sie sich gewünscht hätte. Da gab es schon die eine oder andere Abweichung zu Gunsten … Egal. François muss natürlich auch noch seine Brötchen verdienen und das macht er in einem Café in Montreal. Dort lernt er den Literaturprofessor Robert kennen, zu dem er ein freundschaftliches Verhältnis aufbaut. Die Männer tauschen ihre intimsten Probleme aus: Frauen. Robert, er liebt die Unabhängigkeit, ist längst in die Venusfalle getappt. Jeder Frau erklärt er, ehe er sich auf sie einlässt, dass es keine gemeinsame Zukunft geben wird. Jede Frau glaubt allerdings, sie sei die Ausnahme und es kommt zwangsläufig zu dem gefürchteten Stress. Jede Frau reagiert, als wäre sie die Ausnahme, außer: die Ausnahme! Und ausgerechnet jene Ausnahme verhält sich nach den Regeln. So träumt Robert von einer Frau, in die er sich in einer Nacht verliebt hatte, die sich aber den Regeln fügte und nun verschwunden war. François befindet sich in einer gänzlich anderen Situation. Er teilt die Wohnung, vorerst noch nicht das Bett, mit Sophie. Sophie ist kompliziert und anstrengend, doch ungeheuer anziehend und so kommt, was unausweichlich ist. Sie werden ein Paar. Doch als die Hochzeit ansteht, wird gekniffen. François ist im Café der schwangeren Léa begegnet. Er verliebt sich augenblicklich in die Frau, die verzweifelt auf der Suche nach einer Freundin aus Kindertagen ist.
Die 1975 in Montreal geborene Schauspielerin und Autorin Evelyne de la Chenelière nannte ihre Komödie eine romantische. Das impliziert, dass es ein Happy end geben wird. Es fühlt sich durchaus gut an zu wissen, worauf etwa hinausläuft, wenn denn der Weg dorthin spannend und originell ist. Gerade diese Attribute kann man dem Stück und auch der Inszenierung von Philipp Jescheck am Teamtheater Tankstelle bescheinigen.
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Markus Fisher, Timo Wenzel, Deborah Müller
© Sonja Seebach
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Den eigentlichen Kick bekommt die Geschichte durch filmische Strukturen, eingefügt vom Drehbuchautor François, der parallel zum Erlebten das Drehbuch zur Geschichte schreibt und teilweise auch durch seine Erklärungen einbaut. Regisseur Jescheck gelang eine szenische Umsetzung, die keine Zweifel aufkommen ließ, was reale Geschichte und was Drehbuch war. Die Komödie zieht nicht selten ihre Komik aus den Diskrepanzen beider Darstellungen.
Nun neigen „romantische Komödien“ häufig dazu, die Härten des Lebens, die existenziellen Konflikte zu verharmlosen, zu verwässern oder sogar gänzlich auszublenden, Nicht so in „Erdbeeren im Januar“, mit denen übrigens Sophie bei François im Café aufkreuzte, um ihm einen Antrag zu machen. Autorin Evelyne de la Chenelière kennt ganz augenscheinlich das Leben und seine Härten. Es ist ihr liebevoller Blick auf die zwischenmenschlichen Probleme, von denen es unendlich viele zu geben scheint, der das Stück so anziehend und ansprechend macht und die Inszenierung so kurzweilig wie amüsant werden ließ.
Michele Lorenzinis praktikables Bühnenbild ließ durch simple Drehungen drei Räume zu: Café, Pension und Discothek oder öffentlicher Raum. Die Tapetenmuster verhießen allerdings die Rückkehr eines Looks, den man heute auch Retrolook der späten 70er nennt und von dem man inständig hoffte, er kehre nicht zurück. Aber so ist nun mal das Leben, die wahren Sünden wiederholen sich mit absoluter Sicherheit.
Philipp Jescheck inszenierte schnörkellos, intelligent und mit einem ausgefeilten Rhythmus. Timo Wenzels François war ein etwas introvertierter, unsicherer und nicht sehr streitbarer Geselle, einer, der versucht mit der Welt auszukommen, selbst wenn er sich hier und da auch schon mal verleugnen musste. Unterm Strich der ideale Künstlertypus, denn der hält sich in seinen Werken schadlos am Leben. Ganz anders strickte Markus Fisher die Figur des Robert. Jemand, der die Literatur kennt, hat (wie auch Klavierspieler) Glück bei den Frauen. Robert mäandert selbstbewusst und wortgeschickt durch die Frauenwelt. Doch auch er, der selten abgewiesen wurde, war nur auf der Suche nach der einen. Er schien nur auf den ersten Blick oberflächlich und gefühlskalt zu sein, denn gerade in seiner Haltung zu seiner Arbeit als Literaturprofessor, in einem starken Monolog hinausgeschleudert, offenbarte sich seine Tiefe und seine Ernsthaftigkeit.
So unterschiedlich, wie diese beiden Männerfiguren angelegt und gestaltet wurden, kamen auch die beiden weiblichen Darstellerinnen daher. Die Sophie von Deborah Müller war genau die Frau, die Männern weiche Knie machen. Einerseits weiß Mann nach einmaligem Hinsehen, wie schwierig es ist, sich mit dieser Frau ins Einvernehmen zu setzen. Da tun sich einige, so allerdings nur von Männern empfundene Höllen auf, wenn man in einen gemeinsam bestrittenen Alltag schaut. Doch kann man als Mann genau diesem Typ Frau einfach nicht widerstehen. (Männer sind gerade darum auch ein stückweit tragische Figuren. – So viel Rechtfertigung muss erlaubt sein.) Katrin Wunderlichs Léa hingegen war weniger schillernd, darum aber keineswegs weniger anziehend. Diese Frau vermittelte Verlässlichkeit. Bei ihr wusste man, dass sie halten würde, was sie versprach.
Philipp Jeschecks Inszenierung war durchaus romantisch, jedoch nie kitschig. Sie vereinnahmte den Betrachter, ohne ihn an den emotionalen Schmelzpunkt zu bringen. Und die Darsteller waren durchweg liebenswerte Zeitgenossen, ohne dass sie sich angebiedert hätten. Es war ein mentales und ästhetisches Vergnügen, ihnen zuzuschauen; ein kleines und feines Theatererlebnis, das man sich nicht entgehen lassen sollte. Bis Ende April gibt es dafür die Möglichkeit.
Wolf Banitzki
Erdbeeren im Januar
von Evelyne de la Chenelière
Timo Wenzel, Deborah Müller, Markus Fisher, Katrin Wunderlich
Regie: Philipp Jescheck
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