Teamtheater Tankstelle  Mephisto  nach Klaus Mann


 

Von der Kraft, die vorgibt, stets das Gute zu wollen …

Es ist schon eine erstaunliche Geschichte, die des Romans „Mephisto“ von Klaus Mann, geschrieben und veröffentlicht im Jahr 1936 in Amsterdam. Verleger war der Holländer Querido, der gemeinsam mit seiner Ehefrau im KZ Auschwitz ermordet wurde. Das nur am Rande. Klaus Mann, der sich 1949 das Leben nahm, beschrieb darin den unaufhaltsamen Aufstieg des Schauspielers Hendrik Höfgens. Sein Protektor war kein geringerer als Hermann Göring. Als der Schauspieler Gustaf Gründgens, die Parallelen zu Höfgen sind nur schwer zu übersehen, im Jahr 1963 verstarb, versuchte der Inhaber der Nymphenburger Verlagshandlung Berthold Spangenberg den Roman in Deutschland herauszugeben. Im Ausland war er längst in den Buchläden verfügbar und Gustaf Gründgens hatte nie juristische Schritte gegen das Buch eingeleitet.

Es war der Adoptivsohn Gründgens', der Schauspieler Peter Gorski, der das Erscheinen in Deutschland verhinderte, um die Persönlichkeit seines Vaters zu schützen. Nach der ersten Zurückweisung der Klage konnte der Roman für eine kurze Zeit (Querido-Ausgabe von 1965) erscheinen. Doch der Bundesgerichtshof hob das Urteil in zweiter Instanz auf und stellte damit das Persönlichkeitsrecht einer verstorbenen Person über die künstlerische Freiheit. Die Urteilsbegründung muss aus heutiger Sicht als eine Schande deutscher Rechtsprechung bezeichnet werden. Der Roman erschien ungeachtet des Verbots. Peter Gorski, der zurückgezogen im Ausland lebte, hätte neuerlich gegen den Verlag zu Felde ziehen müssen, unterließ es jedoch.

Klaus Mann hatte seinem Roman folgenden Satz nachgestellt: „Alle Personen dieses Buches stellen Typen dar, nicht Portraits.“ Das hielt die konservative Presse nicht davon ab, Partei für Gründgens, der von Klaus Mann namentlich nicht genannt wurde, zu ergreifen. Noch 1981 war beispielsweise im Westfalen-Blatt zu lesen: „Über zwei Dinge ist man sich bei dem Buch einig: „Daß es ‚munter‘, aber literarisch eher belanglos ist, und daß es über Gründgens die Unwahrheit berichtet.(…) Hier ist interessant, mit welch hechelndem Eifer ein literarisch belangloses, historisch falsches Buch betrieben wird, wo so viel bessere Bücher aus der Emigration längst vergessen sind. (…) Aber die Erinnerung an einen großen Künstler, der vielen geholfen hat – da nimmt das Interesse an der Nichtverfälschung ab, da trompeten die sonst so menschlichkeitsbewußten Feuilletons vorneweg.“ (Westfalen Blatt Nr. 50, 1981) So viel zur Diskurskultur im Umgang mit der Aufarbeitung des „Dritten Reichs“. Das klingt doch sehr nach geiferndem Reflex einer braunen Seele.

Klaus Mann hatte sich unbestritten von der Person Gründgens inspirieren lassen. So funktioniert Kunst nun mal! Aber es gab mehr als einen Höfgen, wie Klaus Mann seinen literarischen Protagonisten nannte, im Deutschland der Nazis, nur waren sie längst nicht so erfolgreich wie Gründgens. Es ist halt dumm gelaufen für Gründgens, wenn Hendrik Höfgen es bis zum Generalintendanten des Berliner Staatstheaters schaffte. Hoppla, Gründgens nahm dieselbe Stellung ein und er wurde zudem noch zum preußischen Staatsrat gekürt. Will nun irgendwer der Welt weismachen, dass der Mime alles dies nur tat, um Widerstand zu leisten und Menschen zu retten? Vermutlich: Ja!

  Mephisto  
  Conny Krause  

Andreas Wiedermann brachte diesen Roman in einer zweistündigen Inszenierung auf die Bühne des Teamtheaters Tankstelle. Er schuf eine Spielfassung, die einen nicht unbeträchtlichen Teil der im Roman auftretenden Figuren auch auf die Bühne brachte. Die Hauptfigur Hendrik Höfgen besetzte er gleich drei Mal: mit Christina Matschoss, Urs Klebe und David Thun. Und das machte Sinn, denn Höfgen ist eigentlich ein „Mann ohne Eigenschaften“, er ist ein Schauspieler, der eloquent auf jeden Menschen und auf jede Situation reagiert. Er ist "multiple" ohne eigentliche Persönlichkeit. So brachte jeder der drei Darsteller einen anderen Höfgen ein. Und genau darin lag der Erfolg der Figur, stets adaptibel zu sein.

Wiedermanns Inszenierung kam mit geringsten Mitteln aus, drei Tische und einige Stühle. Wichtigstes Element auf der Bühne war der rote (Brecht-) Vorhang. (Ausstattung Uta Lederer-Hensel) Vermutlich ist hier aus der Not eine Tugend gemacht worden. Doch wo ein Wille ist, findet sich auch eine Ästhetik, die auf vieles verzichten kann. Was nicht ist, muss halt erspielt werden. Umso raumgreifender waren die Figuren. Es gab einen Conferéncier, nüchtern und präzise von William Newton gespielt, der durch die Geschichte des vierhundert Seiten langen Romans führte. Es ist eine absolute Stärke von Andreas Wiedermann, Romane für die Bühne so aufzuarbeiten, dass das Skelett der Geschichte stets verständlich bleibt und dennoch genug Fleisch geliefert wird, um das Publikum hinreichend zu sättigen.

Das gelang zudem über die Führung der Schauspieler, die extrem gegensätzliche Figuren verkörperten. Christina Matschoss gab beispielsweise einen robusten Höfgen und im nächsten Augenblick eine Dora Martin, hinter der man die fragile, spitzzüngige österreichische Kabarettistin Lisa Eckhart vernahm. Conny Krause verblüffte mit einer blonddauergewellten, matronenhaften Lotte Lindenthal, Ehefrau von Göring, und im nächsten Moment mit der, dem Sohn peinlichen Mutter Höfgens, namens Bella, den guten Ton treffsicher verfehlend. Auch bei Matthias Lettner war es nicht ganz leicht, ihn in der Rolle des dröhnenden Theaterdichters Theophil Marder zu erleben und ihn als Staatsintendanten Cäsar von Muck wiederzuerkennen.

Es war kurzweiliges Theater, denn die Spiellust der Schauspieler nahm ebenso mit, wie die ungeheuerliche Geschichte des Aufstiegs eines Schauspielers, die die deutsche Geschichte gleichsam zu einer ungeheuerlichen macht. Es ist allemal genug Wahrheit darin, um sie zu erzählen. Diese Inszenierung schaut jedoch nicht nur in die Vergangenheit, sondern auch ins Heute, in eine Welt, in der Wahrheit etwas Relatives geworden ist, weil sie von verlogenen, mephistophelischen Gesellen nach Gutdünken entstellt und missbraucht wird. Viele wichtige Politiker auf dieser Welt sind eigentlich Schauspieler, deren Rollenbücher nicht selten andere geschrieben haben, deren Namen nicht auf dem Deckblatt stehen. Erschütternd dabei ist, wie schlecht die Darsteller dabei sind, wie mäßig ihre Rollen und wie groß dennoch der Erfolg ist. Das lässt auf die Verwahrlosung des Publikums schließen. Im ausverkauften Teamtheater (3. Vorstellung) konnte man indes ein wunderbares Publikum erleben, dessen Aufmerksamkeit beinahe fassbar war und das mit dem langen und herzlichen Applaus bekundete, dass die Botschaft angekommen war.

Die Darsteller auf der Weltbühne mögen von unterschiedlichster schauspielerischer Qualität sein, eines allerdings eint sie und daran kann man sie auch erkennen. Das ist der unbedingte Wille zur Macht und zum Ruhm. Sie sind die Kraft, die vorgibt, das Gute zu wollen und die doch das Böse schafft. Bleiben wir bei der Geschichte des Schauspielers Höfgen/Gründgens, denn das Erstaunlichste und Ungeheuerlichste ist die Tatsache, dass dieser Mann, dieser Gustaf Gründgens einfach weitermachte, als sei nichts geschehen, und dass die Gesellschaft mitmachte, ihm neuerlich ein renommiertes Theater gab, das heute auf dem Platz steht, der seinen Namen trägt.

Aber vielleicht ist es ja eine große Naivität, eben darüber zu staunen, denn eine Woche zuvor versuchte das Erste Deutsche Fernsehen der Bevölkerung zu verkaufen, dass der Generalbevollmächtigte von Alfried Krupp von Bohlen und Halbach, Berthold Beitz (1913-2013), eigentlich ein Gutmensch war, ein Engel, der in Polen Juden gerettet hat. Er war Vertreter der Rhenania-Ossag im Einsatz in den kriegswichtigen Erdölfeldern Ostgaliziens. Ist es moralisch gut, Juden vor den Vernichtungslagern zu retten, indem man sie als Sklaven für die Produktion kriegswichtiger Unternehmen reklamierte? Sollte die Frage nicht vielmehr sein, was hatte er überhaupt dort verloren, in Polen?

Wolf Banitzki

 


Mephisto

nach dem Roman von Klaus Mann

Mit Franz Brandhuber, Simon Brüker, Constanze Fennel, Urs Klebe, Conny Krause, Sönke Küper, Matthias Lettner, Christina Matschoss, William Newton, David Thun und Bernd Vogel

Regie: Andreas Wiedermann

Teamtheater  Die Babysitterin von Catherine Léger


 

Alles, alles Story

Brauch, Gewohnheit, Charakter, Sittenlehre und das Wort Moral sind es, um die sich die Storys in der Menschheit drehen. Vor Jahrtausenden beispielsweise in der Bibel festgeschrieben und doch immer wieder die gleichen treiben sie das gesellschaftliche Geschehen voran. Allein die Ausdrucksformen ändern sich ein wenig, die Wortwahl, der Habitus, die Verbreitung. Vom Tratsch im Dorf bis zum weltweiten Shitstorm in den digitalen Medien war es ein weiter Weg, und doch, die Inhalte unterscheiden sich nur geringfügig. Es ist die moralische Verwirrung, der heute viele Menschen unterliegen in einer vieldimensionalen Gegenwart im Kulturgemisch auf der Suche nach der höchsteigenen Story, dem eigenen Leben. Da vermischen sich schon mal Realität und Fiktion, Wohlverhalten und Aufbegehren, Sinn und Unsinn.

Und das Abstreifen von festgefahrenen Rollenklischees sollte zu mehr Freiheit führen, so legen sich immer wieder Generationen mit der landläufigen Moral an. Sich von dieser zu lösen und sogenannte Freiheit (die der tierischen Natur) unmittelbar erfahren, ist eines der Hauptziele in der jungen Gesellschaft. Dazu gehört auch ein Held zu sein, eine Vorstellung junger Männer auf dem Weg zu Ruhm und Anerkennung, gilt es doch die Kleinheit der Person aufzuwerten und bewussten Umgang mit den Urtrieben zu lernen. Der Weg ins Leben, die Story.

Cédric, ein junger Mann, befand sich mit Freunden in einem Stadion. Ihre Stimmung war vom Wettkampffieber getragen und so getuned warf Cédric vor laufender Kamera einen sexistischen Satz gegen die bekannte Journalistin in die Runde. Der Mitschnitt landete bei youtube und wurde in kurzer Zeit über zweihundertfünfzigtausend Mal aufgerufen. Der junge Mann verlor seinen Job, sitzt nun zu Hause und sucht Antworten, Auswege. Verkörpert wurde er von Adrian Spielbauer, der einen sportlichen sowie geselligen Cédric darstellte, eine moderne Identifikationsfigur zu deren Alltag keineswegs grober Sexismus gehörte. Vielmehr war er ein spontaner unterhaltsamer Typ, sicherlich auch Grenzen auslotend, ein kleiner Maulheld seiner Gemeinschaft.

Jean-Michel, Cédrics Bruder und gesellschaftliches Pendant erschien in Anzug, weißem Hemd und mit Fliege dekoriert auf der Bühne. Er war Journalist, kannte sich aus in der Szene und wusste sogleich einen Ausweg aus dem Dilemma. Timo Wenzel brauchte nur wenige Worte um seinen Bruder zu überzeugen und die Story in die richtigen Bahnen zu lenken. Klare Ansage und traditionelle Grundwerte vermittelte der Schauspieler ausgezeichnet präsent. Eine Entschuldigung, ein Buch und damit die bereits vorhandene mediale Aufmerksamkeit des aktuellen Themas nutzen …

Für Nadine, Cédrics Partnerin, gehörte es wie für die meisten jungen Frauen zum Urprogramm ein Kind zu gebären. Sie war in Mutterzeit, einer kurzen Pause vom Geschäftsalltag und dem Anspruch den von Männern geschaffenen beruflichen Spuren zu folgen. Als das mediale Geschehen sie einholt, unterliegt sie den Wirren der Hormone im Körper nach der Geburt. Diffus und verloren spielte Daniela Voß die junge Frau. Doch auch sie bekommt eine Chance.

Die Babysitterin Emy kommt ins Spiel. Cédric braucht Ruhe und Zeit für das Vorhaben, engagiert sie. Emy betreut das Baby, hilft der irritierten Nadine wieder Selbstwertgefühl aufzubauen und dies geht wohl nur über die Imitation männlichen Verhaltens, wie die Szenen erfahrbar machen. Die Benutzung einer Handglocke, der bürgerlich freundliche Umgangston sollen zum Aufbau der Persönlichkeit beitragen, was letztlich auch gelingt. Elisabeth Grünebach gab eine unkonventionell lebendige, bisweilen wie ein unbedarft wirkendes Kind, junge Frau, ohne familiären Hintergrund. Pragmatisch und hilfsbereit ließ sie sich ein ins Geschehen.

Die Autorin Catherine Léger nutzt in dem Stück „Die Babysitterin“ eine Fülle von gängigen Klischees und so gibt das Werk zeitgenössische Realität wieder. Ob die Figuren fiktiv sind bleibt ohne Belang, da deren Äußerungen und Handlungsweisen durch viele Aktionen anderer belegt sind. Was offen bleibt, ist wohl die Frage inwieweit sich viele Menschen mit den Modellen identifizieren und die Spiegelfunktion deren Dasein steuert. Die bürgerliche Maske wurde abgelegt, was bleibt ist das beliebige und gleichzeitig traditionelle Moral verbreitende Gefühlswesen, wie es die Protagonistin vorstellt. Letztlich offenbart sie ihr körperliches Geschlecht und das damit verbundene feine empfindsame Sein. Eine Frau.

Philipp Jeschek gelang ein berührendes Zusammenspiel der unterschiedlichen Kräfte und so demonstrierte er auf feine Weise seine Macht als Regisseur. Macht (die Kraft, das Können zu machen), sie war das erfahrbare Anliegen, das überzeugte und u.a. zu einer hervorragenden Ensembleleistung führte. Jean-Michel kommt Emy nahe, lockert dabei sein Outfit und damit sichtbar die emotionale Haltung. Ein entscheidender Schritt im Miteinander der bewegte. Die Brüder übernehmen Verantwortung, suchen nach Darstellung und Erklärungen, versuchen sich als Moralisten in Briefen, so wie das Sich-Versuchen bei allem Handeln im Mittelpunkt steht. Erst wer sich gefunden hat, hört mit der Suche auf. Ob das Buch, die Briefe jemals gedruckt wurden? Unerheblich, die Worte sind in der Welt.

Und die Moral von dieser Story: Kann es sein, dass sich durch diverse krude Verhaltensweisen die Gesellschaft per se selbst „… in den Arsch fickt“, damit den verbalen Exkrementen übermäßige Bedeutung zukommen lässt, sich ja geradezu darin suhlt? Ein Geschäftsmodell für alle Pubertären, bei dem einer des anderen Worten zu gespeicherter Ewigkeit verhilft. Immerhin ist mit und in den digitalen Socialmedias, und den traditionellen Medien eine Menge Geld zu machen, und dazu braucht es schon Kultur oder sittlich humanes Verhalten (wie langweilig es auch sein mag), um den Zeigefinger gegen den Mittelfinger und umgekehrt aufzustellen.

Die Inszenierung führte auf wundervoll humorig subtile Weise die ursprünglichen Geschlechterrollen vor, karikierte den Versuch das Gegenüber nachzuspielen und letztlich das Scheitern darin. Mit dem Lachen und der Erkenntnis - niemand kann aus seiner Haut - setzte abschließend eine wahre Befreiung ein. Und diese Komödie, sollte Mann/Frau sich auf keinen Fall entgehen lassen.

C.M.Meier

 


Die Babysitterin

von Catherine Léger

Adrian Spielbauer, Daniela Voß, Timo Wenzel, Elisabeth Grünebach

Inszenierung/Textfassung: Philipp Jeschek


Teamtheater Tankstelle 36 Stunden nach Ödön von Horváth


 

Fräulein Pollinger und die Liebe

Fräulein Pollinger, mit Vornamen Agnes, ist arbeitslos. Sie hatte als Schneiderin einige Male ein Kostüm verschnitten und hat nun mehr Zeit, als ihr lieb ist. Sie begegnet Eugen Reithofer, ein österreichischer Kellner, ebenfalls arbeitslos und als "Nichtreichsdeutscher" in München ohne Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung. Ihr langer gemeinsamer Spaziergang endet auf dem Oberwiesenfeld unter einer Ulme. Dort geschieht, was geschehen muss, denn eigentlich wollen es beide. Nun sind sie ein Paar und die Verabredung für den nächsten Abend um 18.00 Uhr ist fix.

Agnes lebt bei ihrer Tante in deren verwanzten Wohnung. Einziger Mieter ist der Aktfotograf Herr Kastner, der die Wanzen höchstselbst mitgebracht hat, um den Mietpreis zu drücken. Der vermittelt Agnes an den Kunstmaler LMA, der angeblich im Auftrag des Landes Hessen eine „Hetäre im Opiumrausch“ malen soll. Das ist natürlich ein Irrtum. Die Hetäre ist für eine hochgestellte Privatperson, für Hessen steht eine Madonna auf dem Plan. Doch Agnes muss in den sauren Apfel beißen und die Kleider fallen lassen, denn sie ist für das Hetären-Bild auserkoren. Sechs Stunden dauert die Sitzung und LMA hat endlich seine Erleuchtung. Just in diesem Augenblick fährt die Sportskanone Harry Priegler mit seinem Cabriolet beim Maler vor und lädt Agnes zu einer Spritztour an den Starnberger See ein. Der Ausflug mit Schnitzel und Gurkensalat in Feldafing endet des Nachts im Forstenrieder Park wo sich Agnes, die mit schlechtem Gewissen an den versetzten Eugen denken muss, Harry Priegler hingibt. Doch diesmal tut sie es für Geld. Die Geschichte zwischen Agnes und Eugen endet in der Früh, nach 36 Stunden, mit einer unerwarteten und rührenden Wendung.

Die Bühne von Nadeshda Diring weist nicht mehr als einen zweifarbigen Fußboden, zwei Hocker und zwei Tischkästen in unterschiedlichen Farben auf. Damit konnte eine Bank unter der Ulme, ein Cabriolet (fahrend) und die Bank im Forstenrieder Park, aber auch die Wohnung von Agnes´ Tante und eine Pianobar simuliert werden. Dabei muss erwähnt werden, dass die Bühnenfassung des Prosatextes nicht auf die starke bildhafte Sprache verzichtet hat. Der narrative Anteil bleibt vergleichsweise groß. Die Wechsel zwischen Dialogen und Beschreibungen sind gleichermaßen Szenenwechsel. Und da es beinahe nahtlos und zügig geschieht, entsteht ein Erzähl- und Spielfluss der nie stockt oder gar zum Erliegen kommt und die eine Stunde und zwanzig Minuten sehr kurzweilig erscheinen lässt.

Die eigentliche Qualität ist jedoch das Spiel der Darsteller Pia Kolb und Max Pfnür, zwei überaus sympathische Schauspieler, deren darstellerisches Vermögen nichts, aber auch gar nichts zu wünschen übrig ließ. Horváths „volkstümliche Sprache“ ist tatsächlich eine durchgestaltete, sehr effektvolle Kunstsprache, die höchste Anforderungen an die Schauspieler stellt. In dieser Inszenierung erlebte man einen äußerst vielseitigen Umgang, es wurden unterschiedlichste Dialekte bedient, mit dieser Sprache, aber auch eine ausgefeilte Sprechtechnik und ein überaus eleganter Umgang mit dem Text. So beeindruckend perfekt, wie Kolb und Pfnür das Wort transportierten, so beeindruckend vielseitig und gekonnt setzten sie ihre Körper und vor allem die Mimik ein. Pia Kolb, anfangs ein geschasstes graues Mäuschen aus dem Schneideratelier, wuchs in „36 Stunden“ immer mehr zu einem sexuell anziehenden selbstbewussten Wesen heran, die zuletzt sogar einen Sexualprotz wie Harry Priegler auf seine natürliche, eher lächerliche Größe schrumpfen ließ. Pia Kolbs bezaubernd naive, aber durchaus stolze Agnes weckte beim Betrachter sämtlich Beschützerinstinkte.

Max Pfnür oblag es, sämtliche Männerrollen zu gestalten, angefangen beim Kellner und „Mistviech“ Eugen Reithofer, über den schmierigen Aktfotografen Herrn Kastner, den kapriziösen Kunstmaler LMA, die stupide Sportskanone Harry Priegler, der sich von den Frauen erklären lassen wollte, warum er bei den Frauen so erfolgreich war, bis hin zum freundlichen und selbstlosen Pianisten, der ein gutes Ende einläutete. Max Pfnür lieferte gemeinsam mit seiner Partnerin Pia Kolb eine grandiose Leistung ab, bei der Regisseur Georg Büttel zweifellos einen nicht unbeträchtlichen Anteil hatte.

Ein kluger Kopf hat einmal vor Superlativen gewarnt. Die, so meinte er, taugen höchstens für Polemik. In Bezug auf die Inszenierung von „36 Stunden“, noch bis zum 25. Mai am Teamtheater Tankstelle zu sehen, scheint es unmöglich, Makel zu benennen. Die Inszenierung war konzeptionell geschlossen und intelligent gebaut; das Bühnenbild ließ alles zu, war praktikabel, stand nie im Weg und ermöglichte jede denkbare Sprachkulisse. Die Musik von Thomas Unruh war dezent, unauffällig und dennoch hätte etwas sehr wichtiges gefehlt, wäre sie nicht erklungen. Das Spiel der Darsteller war hochkomplex, sie verschenkten kein noch so gering scheinendes Detail und scheute das Ordinäre nicht, das hier allerdings zumeist komisch wurde.

Die Inszenierung war witzig und elegant, nahezu perfekt. (Mit der widerwilligen Einfügung von „nahezu“ schützt sich der Kritiker selbst, denn niemand ist vollkommen.) Es ist schwer vorstellbar, dass dieser wunderbare Theaterabend nicht jeden Zuschauer erreicht und berührt. Also, testen Sie es aus, solange noch die Möglichkeit besteht.

Wolf Banitzki

 


36 Stunden

Tragikomödie nach Ödön von Horváth

Pia Kolb & Max Pfnür

Regie: Georg Büttel

Teamtheater Tankstelle Tagebuch eines Wahnsinnigen von Ioan C. Toma


 

Es lebe das Leben

Die Welt des Menschen ist klein. Ein überschaubarer Rahmen im Raum, ein Gerüst in dem er seine Fäden, Gedanken und Handlungen spinnt. Sei es im Gehirn, in dem alles dies seinen Anfang nimmt, sei es in der Welt des realen Lebens in der Gesellschaft, einer Gemeinschaft auf der Erde, welche in der Provinz einer Galaxie um sich selbst rotiert. Die realen Bedingungen sind vorgegeben, gar nicht oder nur in Nanomikroschritten zu verändern, wozu jeder Gedanke einen Beitrag leistet und damit auch das Feld des kollektiven Daseins bewegt. Denn es sind gerade die Hoffnungen und Träume, die zu Erfüllung drängen und allzuoft den normierten Alltag als ungesunden Wahnsinn entlarven. Die Norm jedoch straft viele befreiende Ansätze ab, unterdrückt sie, erklärt sie für krank. Als Wahnwitz abgetan, hätte man vor 150 Jahren noch die Äußerungen über drahtlose Kommunikationsverbindung. Folglich …

Ein Stahlrahmen füllte die Mitte der Bühne, daran gespannt ein Seil und in der Mitte ein Haken, an dem ein Sakko hing. Konstantin Moreth, als der Titularrat, betrat den Raum, griff nach dem Jacket und erzählte sogleich von seiner Rolle im Amt. Die Federn spitzen, das sei seine Hauptaufgabe. Die Feder des Kollegen im Departement, die Schreib-Feder des Direktors um dabei an dessen Tochter zu denken, ihr gelegentlich in die Augen zu sehen und schließlich einen Dialog mit deren Hündin Meggi zu beginnen. Immerhin nahm die Angebetete ihn wahr, doch keinesfalls in der gewünschten Form. So lief es mit dem tierischen Austausch der Gefühle, in den er sich verstrickte und der ihn hilflos zappeln ließen, zwischen dem eigenen Wünschen, Begehren und der Ablehnung der anderen. Konstantin Moreth gelang auf unauffällige Weise eine ebenso unauffällige Figur, die eine besondere war und doch jeder sein konnte. Mit außergewöhnlicher Präsenz führte er vor, was wohl allgemein bekannt erfahren wird, und hier doch eine Theaterbühne füllte. Sparsame, doch kraftvolle Gesten taten die Welt der Gedanken und des normalen Alltags auf. Er spann die Worte wie das Netz, er verstrickte sich darin, erst locker träumend und trotzdem Spannung aufbauend. Immer konsequenter stringenter steigerte er sich bis zur Fixierung auf eine Rolle, die eine, gewünschte Stellung in einer hierarchischen Gesellschaft. Mehr Macht gab es nicht. Doch Aufstieg und Fall waren auch hier nur einen Schritt weit voneinander entfernt. Denn als er sich vom bürokratischen Dienst befreite, mit leeren Hosentaschen dastand und sich lauthals zum König von Spanien erklärte, schlug ein öffentlicher Ordnungshüter ihn zu …

  TagebuchW  
 

Konstantin Moreth

© Benedikt Mahler

 

Ioan C. Toma, schrieb diese moderne Bühnenfassung und stand auf der Spielfläche im Schatten abseits, hielt das Seil der Gedanken in seinen Händen wie den Faden der Geschichte. Als gälte es diesen Faden nicht zu verlieren, oder ihn gar dem Zufall allen möglichen Geschehens zu überlassen, hätte er auch den Schatten von Nicolaj Gogol darstellen können. So wie im Absurden sich benannter Sinn und das Gegenüber, der hoffnungsvolle Wahn erkennbar paaren, trägt der Faden einer Geschichte zur unmittelbaren Spannung bei, ohne den ein Geschehen niemals stattfinden kann. Wer möchte den Faden des eigenen Schicksals aus der Hand legen? Toma gelang eine kurzweilige Fassung, die den Kern niemals aus den Augen verlor. Ist die Geschichte also real oder nur der Fantasie eines Schriftstellers entsprungen? Titularrat Poprischtschins Schicksal nahm am „3. Oktober mit einem ungewöhnlichen Vorfall“ seinen Anfang und es endete am 0., am Niemandstag. Womit auch die Verbindungen zwischen gestern und heute, zwischen Autor und unbekanntem Zuschauer offengelegt wurden, denn auch heute noch ist jeder Einer und zugleich doch ein Niemand in der Masse.

Was unterscheidet entgleitende Gedanken, wie die Projektion von persönlichen Gefühlen an zwei Hunde von modernen Fake-News? Netzwerken, Fake-News und persönliche Befindlichkeiten stehen im Fokus der Aufmerksamkeit. Wirklichkeit und Illusionen vermischen sich weitgehend. Und wer vermag in diesem Raum noch Tatsachen, Wahrheit und Vorstellungsbilder zu trennen, zu erkennen? Auf der Suche zwischen Wahn und Sinn treiben die Wesen, gefangen in den Absurditäten des Alltags und den persönlichen Wunschträumen. Auch das ist moderne Realität, die nicht allzuweit von manchem angeprangerten Fehlverhalten entfernt, durchgezogen wird. Sigmund Freud holte vor etwa hundert Jahren das Verdrängte ans Licht, seitdem ist Gedanken wie Gefühle "spinnen" ein kreativer Teil des Daseins geworden. Wo verlaufen die Grenzen?

Hochbrisanter Stoff, der überdeutlich machte, wie wenig und doch grundlegend viel sich in den letzten hundert Jahren verändert hat. Die Krankheitsdefinitionen wurden differenziert, auch der Umgang mit den Problemen und die sogenannten Heilungen nehmen zu. Doch abgesehen von der Bedienung unterschiedlichster Maschinen lernte der sogenannte normale Mensch kaum, denn immer noch spinnt er einsam seine Gedanken und spannt diese (wenn auch digital verändert) in den Raum. Allein dies zu erkennen, wofür die Inszenierung wundervoll unterhaltenden Beitrag leistete, könnte eine Türe in die gesuchte verherrlichte Freiheit einer selbstbestimmten Daseinsgestaltung öffnen. Folge deinen Träumen - gilt heute als normal, früher sperrte man dafür weg. Für den Protagonisten endete es im Dunkel, um für den Schauspieler Konstantin Moreth anschließend ins Licht an der Rampe zu führen und den wohlverdienten begeisterten Applaus entgegen zu nehmen.

 

C.M.Meier

 


Tagebuch eines Wahnsinnigen

von Ioan C. Toma

Nach der Novelle "Aufzeichnungen eines Wahnsinnigen" von Nicolaj Gogol

Konstantin Moreth

Am Seil: Ioan C. Toma

Regie:

Teamtheater Tankstelle  Törless nach Robert Musil


 

Über das Wesen des Menschen

Robert Musil (1880-1942), Österreicher, war Ingenieur und somit dem rationalen Denken verpflichtet. Auch als Schriftsteller strebte er danach, das menschliche Verhalten in Gesetzmäßigkeiten zu definieren, was ihm allerdings nicht in zufriedenstellendem Maße gelang, da der Mensch vornehmlich als „Gestalt“ auftritt und somit „Erscheinung“ bleibt, sein „Wesen“ nicht preisgibt. Musils künstlerischen Bemühungen, eine bild- oder gleichnishafte Gestaltung vom Menschen zu schaffen, genügte ihm letztlich nicht. Zwar lieferten sie in seiner Prosa lebendige Erscheinungen, doch ein allgemeiner Zusammenhang ließ sich, so Musil, definitorisch nicht festklopfen. Die Einmaligkeit jeder Lebenserscheinung entzog sich letztlich einer wissenschaftlichen Analyse. Auch wenn Musil seine Bemühungen als gescheitert ansah, bescherte er der Welt eine Literatur, die unvergänglich ist, gerade weil sie verbindliche Aussagen zum Menschen macht. Davon ist auch „Die Verwirrung des Zöglings Törless“, Musils literarischer Erstling aus dem Jahr 1906, nicht ausgenommen. Es ist ein brandaktueller Text und damit der Beweis, dass Musil durchaus erfolgreich war in seiner Erforschung des menschlichen Wesens.

Die Geschichte spielt an einer Elitebildungseinrichtung mit Internat. Es gibt sie in dieser Form durchaus auch in der heutigen Zeit. Eine solche Einrichtung muss man sich leisten können, was den Schluss zulässt, dass es sich um die Kinder der gesellschaftlichen Eliten, vornehmlich vermögender Zeitgenossen handelt. Törless ist eine poetische Natur und als solcher durchaus ein Einzelgänger. Er pflegt eine oberflächliche Freundschaft zu Reiting und Beineberg. Basini, der seinen Aufenthalt dem mühsam von den eher kargen Einkünften seiner Mutter abgespartem Geld verdankt, möchte gern mithalten mit seinen Klassenkameraden. Also lebt er auf Pump. Er hat Schulden bei Reiting, der sein Geld mit Nachdruck einfordert. Basini, der sich in einer ausweglosen Situation gefangen sieht, stielt das Geld bei Beineberg. Reiting überführt den Dieb Basini und droht, den Skandal öffentlich zu machen. Doch gemeinsam mit Beineberg beschließen sie, Basini zu bestrafen und sein „niederes Wesen“ erbarmungslos auszubeuten. Eine bestialische Gewaltspirale beginnt sich zu drehen und Basini bleibt keine Folter, auch nicht die Vergewaltigung durch Reiting und Beineberg erspart. Dabei schützen die Peiniger sogar wissenschaftliches Interesse vor und betrachten das Ganze als ein Experiment. Basini hat einen ehrenvollen Platz in der Gesellschaft für sie ohnehin verspielt.

Als ein Kurzurlaub von vier Tagen allen Schülern außer Törless und Basini die Heimreise ermöglicht, die beiden also allein zurückbleiben, gesteht Basini Törless gegenüber eine emotionale und auch sexuelle Zuneigung und Törless gerät in eine tiefe Verwirrung. Auch er nutzt die Offerte schamlos aus, allerdings hält er Basini emotional auf Abstand. Als Reiting und Beineberg am Ende Basini allen Zöglingen der Einrichtung zum Fraße vorwerfen, kehrt die angestammte Ordnung wieder zurück. Basini wird entfernt und alles Vorgefallene unter den Teppich gekehrt. Die Fassade der Eliteschule bleibt unbeschädigt.

Diese Geschichte brachte Dieter Nelle in einer eigenen Textfassung auf die Bühne des Teamtheaters Tankstelle. Dabei beschränkte er sich auf die Beziehungen der vier Schüler untereinander und ließ Erklärungen zum Schulbetrieb weitestgehend außen vor, was der Geschichte allerdings keinen Abbruch tat. Die geschilderten und gespielten Vorgänge warfen ohnehin ein recht deutliches Licht auf die Einrichtung.

Dieter Nelle bewies bei der Besetzung der vier Rollen ein exzellentes Händchen. Mit Peter Blum brachte er einen feinsinnigen, sensiblen und dennoch asozialen Törless auf die Bühne, der zuletzt sein Heil in der Verleugnung suchte und fand. Axel Brauchs Basini war ein geduldiger Verlierer. Seine Bereitschaft, sein Dasein in einer so entsetzlichen Würdelosigkeit zu führen, war verstörend aber keineswegs unglaubhaft. Welche Wahl hatte er? Mit dem Verlust der Ausbildung an der Schule endeten gleichsam alle gesellschaftlichen Aufstiegsmöglichkeiten. Die Lebenswege von Reiting und Beineberg waren längst durch die Elternhäuser geebnet worden. Adrian Spielbauer gab einen robusten und brutalen Reiting, der sich wenig um die Konsequenzen seines Handelns scherte. Doch im Gegensatz zu Beineberg machte er aus seiner Lust an der Qual des Mitschülers keinen Hehl. Beineberg, von einem introvertierten Olaf Becker mit mystischen Fantasien gespielt, nutzte das „Experiment“, um seine schrullig religiösen Vorstellungen von Seelenwanderung zu beweisen. Dabei zeigte sich, dass offene Brutalität nicht unbedingt perverser sein muss, als religiös oder pseudowissenschaftlich verbrämte.

Dieter Nelles Inszenierung war unprätentiös und darum umso bedrückender. Im Zentrum der Betrachtung blieben stets die Figuren. Das Bühnenbild von Manuela Müller, die auch für die Kostüme verantwortlich zeichnete, bestand lediglich aus einem weißen Kreis, Ort der Handlung. Aus diesem Kreis herausgetreten, blieben die Figuren zwar präsent, doch nicht zwingend im Fokus. Ein bei Gegenlicht transparenter Vorhang schuf einen Rückzugsraum, aber auch ein Raum der Intimitäten. Die unterschieden sich indes deutlich von den im Kreis vollzogenen barbarischen Entblößungen und Foltern. Dieter Nelle ging weit bei den physischen Entäußerungen, doch wurden seine szenischen Lösungen nie Zumutungen für das Publikum.

Die Inszenierung, der sowohl für die Einrichtung durch die Regie, als auch für die sehr guten schauspielerischen Leistungen höchstes Lob gebührt, leistete mehr als nur die Dramatisierung eines Romans von Robert Musil, der längst zu Recht zum Klassiker der Moderne avanciert ist. Die Inszenierung machte deutlich, dass der Mensch auch in den vergangenen, mehr als 100 Jahren keine moralisch nachhaltige Entwicklung durchlaufen hat. Die Sentenz „homo homini lupus“, übrigens aus der Feder des Komödiendichters Titus Maccius Plautus (ca. 254–184 v.Chr.), hat offensichtlich noch immer einen zutiefst wahren Kern. „Der Mensch des Menschen Wolf“ und er wird es auch bleiben, solange die Gesellschaft über Besitz und Macht auseinanderdividiert wird und Menschen sich straflos an anderen Menschen vergehen können. Die Inszenierung lässt aber auch den Schluss zu, dass der Mensch noch immer ein barbarisches Wesen ist und wir in historischen Intervallen aus dem Dornröschenschlaf ideologischer Umnachtung erwachen und entsetzt in die hässliche Fratze Mensch blicken.

Tatsache bleibt, dass alle Sozialisierungsbemühungen und Moralbildung keine Sicherheit dafür bieten, dass unsere Gesellschaft ein sicherer Hort für jedes Individuum ist. Tatsächlich haben wir längst wieder den Kriegspfad beschritten, in dem wir Menschen zweiter Klasse nicht nur in unserer Vorstellung geschaffen haben, über die wir arrogant und selbstverliebt urteilen können und denen wir den Zugang in die „sichere Gesellschaft“ verwehren. Und damit sind nicht die Asylanten und Flüchtlinge gemeint, sondern eine Entwicklung, in der die Kluft zwischen arm und reich, zwischen Eliten und Prekariat, zwischen Bildungsbürgern und bildungsfernen Schichten ein perverses Ausmaß angenommen hat. Die Inszenierung am Teamtheater Tankstelle sagt ganz deutlich und unmissverständlich: „Törless“ ist hier und heute möglich, wenn nicht sogar wahrscheinlich!

Wolf Banitzki

 


Törless

nach Robert Musil

Mit: Olaf Becker, Peter Blum, Axel Brauch, Adrian Spielbauer

Textbearbeitung und Inszenierung: Dieter Nelle
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