Metropol Theater Werther nach J.W. v. Goethe


 
 
"Es ist beschlossen, Lotte, ich will sterben ..."

"Ich habe allerlei Bekanntschaft gemacht, Gesellschaft habe ich noch keine gefunden." Das ist ein wunderbar treffend gewählter Schlüsselsatz, der Begegnungen auch im Heute allzu deutlich beschreibt. Es ist nicht die einzige Aussage im Jugendwerk Goethes, die von zeitloser Gültigkeit ist. Die grundsätzlich positive Natur des Menschen steht heute genau wie vor zweihundertdreißig Jahren den gesellschaftlichen Konventionen entgegen. Der Konflikt zwischen Gefühl und Vernunft ist in der Realität unlösbar. Nur die Träume können eine Brücke schlagen und in der Schwärmerei treten sie am vollkommensten hervor - "Das das Leben des Menschen nur ein Traum sei, ist manchem schon vorgekommen, und auch mit mir zieht dieses Gefühl immer herum."

Im Sturm und Drang, der Entstehungszeit, stand Autobiografisches auf der Tagesordnung. Die Geschichte zu dem Briefroman hatte ihren Ursprung im Aufenthalt Goethes in Wetzlar, dem Selbstmord eines bekannten Legationsrates und dem Kontakt zu Charlotte Buff und deren Verlobten. Freundschaft verband die drei Menschen, bis Goethe mehr als schickliche Zuneigung zu Lotte entwickelte. Er hatte bei aller Leidenschaft nicht im mindesten die Absicht zu sterben. Er handelte vielmehr nach dem Prinzip der Vernunft, die einen Ortswechsel vorschlug. In Ehrenbreitstein gab er sich unverzüglich der nächsten Schwärmerei hin und es geschah ohne Rückblick und Leiden. Läge dies nicht dem jugendlichen Leben näher? Ach wie unromantisch ist die Vernunft, wie unbeständig das Gefühl.

Es geht mit Werthers Tod vielmehr um Konsequenz und um Symbolkraft. Der Held wählt seinen Untergang als positives Recht und als sein Verständnis von Freiheit. Das hat scheinbar wenig mit dem gängigen Bild des modernen Loosers gemein und doch verbindet beide der Verlust ihrer Träume.
 
 

 
 

Atef Vogel

© Hilda Lobinger

 

Die Textfassung zu dieser Inszenierung erzählte straff - ein wenig zu straff vielleicht - nicht mehr als die Geschichte. Britta Schreibers Werther scheiterte erst an der Liebe und dann in der Stellung, um am Ende neben seinen Habseligkeiten, der Schleife von Lotte, dem Buch von Albert und der leeren Flasche zu liegen.


Der Darsteller Atef Vogel hinterließ Bilder eines ausgelassenen Jungen, eines schwärmerisch Verliebten, eines von Aufbegehren Geplagten, eines an der kalten Realität Gescheiterten. "Nur eines mein Bester: in der Welt ist es sehr selten mit dem Entweder-Oder getan, … dass die Empfindungen und Handlungsweisen schattieren so mannigfaltig, …"; letzteres war bisweilen vom Einfachen überdeckt. Werthers Leiden mündete, nach Britta Schreiber, in provokant plakative Auflehnung, die auf die große Leinwand projeziert wurde. Atef Vogel verstand es, durch körperliche Präsenz den Facetten Werthers Gestalt zu geben, ohne dabei auch nur einen Augenblick den jugendlichen Elan und die Lebendigkeit außer Kraft zu setzen. So starb der Held nicht wirklich. Doch die Geschichte fände kein zeitgemäßes Ende, hätte die Regie auf den drastischen Knalleffekt am Ende verzichtet.


Kurzum, dieser Werther war ein moderner jugendlicher Liebhaber, wie die Frauen ihn sich wünschen. Was einige Damen im Publikum durch eindeutiges Lachen auch signalisierten, denn seine Romantik, sein Ungestüm und die Schwärmerei erreichten sie. Doch auch die Herren im Zuschauerraum berührte die Botschaft und manches Lächeln der Erkenntnis machte sich auf ihren Gesichtern breit. So wie alle gemeinschaftlich verständnisvoll nickten, als er sich dem Liebesleid ergab. O, süße Qual des Unglücks. Es ist eine erbauliche Inszenierung, die die Vorstellungen in den Gemütern bedient und so die Seelen bezaubert …

 
C.M.Meier

 

 


Werther

nach J.W. v. Goethe

Atef Vogel

Regie, Textfassung, Ausstattung: Britta Schreiber

Metropol Theater Die Anleitung zum Unglücklichsein das Stück zum Buch von Paul Watzlawick


 

 

Psychologie light

Das Theater in München hat eine neue Qualität erreicht. Stückeschreibern gibt man immer häufiger den Laufpass, "das Stück zum Buch" erobert virulent die Bühnen. Hoffentlich wird damit auch die letzte Phase des Regie-(Star oder Sternchen)) Theaters eingeläutet, denn der Sinn ist mit der vorliegenden Arbeit ein weiteres Mal in Frage gestellt. Andere Beispiele in der jüngsten Vergangenheit sind "Der Golem" (Gustav Meyrink), ein durchaus gelungener Versuch im selben Haus und "Der Gehülfe" (Robert Walser) im Marstall.

Paul Watzlawick schrieb mit seiner "Anleitung zum Unglücklichsein" einen Millionenbestseller. Diese Tatsche sollte eigentlich stutzig machen bezüglich des Wertes des Buches. Watzlawick ist Wissenschaftler, auch, wenn er sich seine Sporen am C.G. Jung Institut in Zürich verdient hat. Immerhin arbeitet er in Palo Alto und an der Stanford Universität.

Es leuchtet durchaus ein, dass ein guter Roman von einem begabten Dramatiker oder Dramaturgen in eine Theaterform gebracht werden kann. Aber ein wissenschaftliches Werk? Nun, so wissenschaftlich ist es gar nicht und der Umstand des Erfolges unterstreicht das auch. Watzlawick hat auf unterhaltsame Weise beschrieben, was wir eigentlich schon wussten oder ahnten, ohne es uns eingestehen zu wollen, nämlich, dass wir die Fähigkeit zum Unglücklichsein erworben und verbissen kultiviert haben. Wenn er diese Mechanismen in Fallbeispielen offen legt, gibt es im Publikum einhellig ein Déjàvu-Erlebnis und die Freude ist groß.
 
   
 

Julia Koschitz, Jacques Breuer, Susanne von Medvey, David Baalcke

© Hilda Lobinger

 

Nun gibt die Aneinanderreihung von wissenschaftlichen Exkursen zum Thema noch keine dramatische Struktur. Regisseur Martin Östreicher schuf Abhilfe und einen Rahmen. Das Publikum war zu einem Workshop von Prof. Dr. Theodor-Maria Schwarz geladen. Diese Situation ist hinlänglich bekannt und für einige Zeitgenossen schon eine Lebensform. Nun ist aber diese Prämisse immer noch nicht ausreichend, eine griffige Dramaturgie herzustellen und so erklärt Östreicher kurzerhand das Chaos zur selbigen. Schwarz kommt nicht. Es heißt, er sei im Verkehr stecken geblieben, später erfährt das Publikum, Schwarz gibt es gar nicht. So ergreifen die Assistenten das Wort und scheitern unentwegt. Die Realität ihrer eigenen Leben vermischt sich mit den Realitäten der dargestellten Fälle. Und was lernt das Publikum daraus? Alle Menschen sind auch nur Menschen.

Dass Regisseur Östreicher wider den tierischen Ernst bei der Selbsterkenntnis antrat, war unübersehbar und dagegen ist grundsätzlich auch nichts einzuwenden. Wenn er aber einen philosophisch-psychologischen Exkurs abhält, sollte er zumindest das Wissen unserer Vorfahren respektieren. Spätestens, wenn er Descartes zum Mechanisten erklärt, bleibt dem der Philosophie verbundenen Zuschauer das Lachen im Halse stecken. Durch das Austauschen des Namens Descartes gegen La Mettrie ließe sich der Satz retten. Doch es geht nicht um derartige Spitzfindigkeiten, sondern um den seriösen Umgang mit der Sache an sich. Denken im universalen Sinn und in historischen Kategorien ist zugegebener Maßen nicht der Zug unserer Zeit und gerade darum sollte sich das Theater nicht auf das Niveau von Late Night Shows hinab begeben. Und nicht viel anderes geschah am Premierenabend. Vielmehr lieferte dieser Abend einen gelungenen Beitrag zur allgemeinen Orientierungslosigkeit. Davor schützen auch Texte und Zitate von Philosophen der Antike über Shakespeare bis hin zu Lasker-Schüler nicht.

Darüber hinaus erweckte die Inszenierung gelegentlich den Eindruck des Unfertigen. So hatten die Schauspieler nicht selten unüberhörbar mit dem Text zu ringen. Doch das Premierenpublikum (Alle Verwandten, Bekannten und Freunde waren anwesend!) spendete mehr als einmal Szenenapplaus und forcierte so eine Laxheit, die die Schauspieler sogar ermutigte, eine Gesangsnummer, die eben Mal danebengegangen war, zu wiederholen. An Aktionismus fehlte es wahrlich nicht und bei viel Stühle- und Tischerücken im Workshopbühnenbild von Sandra Hauser, gaben die Schauspieler viel. Sie entwickelten deutliche Charaktere und ließen Komödiantentum aufblitzen. Allein, den Problemen, die diese Stückentwicklung aufwarfen, konnten sie beim besten Willen nicht gewachsen sein. Bleibt abzuwarten, ob das Publikum der nachfolgenden Vorstellungen ebenso geneigt ist. Für die Premiere gab es jedenfalls kräftigen Zuspruch.

Und falls es sich noch nicht herumgesprochen hat, Philosophen sind schlechte Witze-Erzähler. Zum Beweis hier einer der bekanntesten Philosophenwitze: Warum hatte Kant keine Kinder? - Antwort eines Philosophen: Er kam mit dem "Ding an sich" nicht klar.

 
 
Wolf Banitzki

 

 


Die Anleitung zum Unglücklichsein

das Stück zum Buch von Paul Watzlawick

Susanne von Medvey, Jacques Breuer, Julia Koschitz, David Baalcke

Regie und Stückentwicklung: Martin Östreicher

Metropol Theater Der Sommer von Romain Weingarten


 
 
Von Menschen und Katern

"Nichts schrecklicher kann den Menschen geschehn, als das Absurde verkörpert zu sehn.", schrieb Altmeister Goethe. Wie sich die Zeiten ändern. Schönheit ist eines der wichtigsten Merkmale des Stückes "Sommer" von Romain Weingarten, das Gerd Lohmeyer für das Metropol Theater wieder entdeckt hat. Dafür gebührt ihm Lob. Aber auch für die Inszenierung muss ihm gedankt werden, die den Besucher für eineinhalb Stunden in eine Welt entführt, die, wenn überhaupt noch, nur in der fernen Erinnerung existiert.

Weingarten, 1926 in Paris geboren und ein Vorreiter des Theaters des Absurden, ist mit diesem Stück ein bemerkenswerter Wurf gelungen. Die "dramatische Erzählung", wie er sie nennt, berichtet von einer banalen, im Alltag sich ständig wiederholenden Geschichte. Ein Paar macht sechs Tage als Pensionsgäste Urlaub auf dem Land. Am Ende hat sich die Frau klammheimlich davongestohlen und einen zerstörten Mann zurückgelassen. Der Zuschauer bekommt dieses Paar nie zu Gesicht und dennoch kann er teilhaben an den Vorgängen der verborgenen Geschichte. Er erlebt sie als Spiegelungen in den Augen und Gemütern zweier Kinder und zweier Kater. Diese besondere Perspektive macht den ganzen Reiz des Stückes aus. Die Kinder reagieren heftig, aufrichtig, versonnen und klischeehaft, wobei letzteres als Tugend zu verstehen ist, denn die kindliche Logik ist eine einfache. Die Kater, sie stehen hybrid über den Dingen, kommentieren auf sehr eigene und sehr philosophische Weise. Am Ende verabschieden sie sich mit der Begründung aus dem Spiel, dass es ihnen zu spießerhaft sei.

Das Ganze spielt in einem puppenhausartigen märchenhaften Bild mit Ligusterhecke und Gartenmauer. Bühnenbildner Bernhard Gross schuf einfühlsam die Kulisse, in der Gerd Lohmeyer seine Inszenierung und sein Spiel entfalten konnte. Dem Regisseur gelang es, Absurdes nachvollziehbar zu machen. Er als Kater Kirschtupfer und Johannes Herrschmann als Kater Seine Knoblaucht kontrapunktieren menschliche Verhaltensweisen mit tierischen, oder besser katerhaften, wodurch zutiefst komische und unverwechselbare Charaktere entstehen. Die kindliche Aufregung des Mädchens Lorette, die mit der Ankunft der Feriengäste einsetzt, und die für sie eine Entdeckungsreise zu den Ufern der Liebe einläutet, hält das ganze Stück über an. Ulrike Arnold gelingt eine Darstellung, die durchgängig und glaubhaft Kindlichkeit erzeugt und nie ins Kindische kippt. Felix Kuhn als "leicht beschränkter" Bruder spielt seinen, häufig schweigsamen Part mit großer Intensität, so dass der Zuschauer letztlich nicht mehr an seine Beschränktheit glauben kann. Die Introvertiertheit lässt doppelte Böden vermuten, die hier und da auch sichtbar werden.

Über allem liegt ein Hauch Poesie, die starke Unterstützung durch die geschickte Lichtgestaltung von Björn Gerum erfährt. Die Szenenwechsel werden musikalisch von Ester Schöpf (alternierend Martha Cohen) gestaltet, wobei die Betonung auf Gestaltung liegt, denn das Violinenspiel unter Verwendung von Motiven César Francks, Maurice Ravels und Moritz Moszkowskis ist weit mehr als nur ein Lückenfüller.

Diese Inszenierung ist von beinahe beunruhigender Geschlossenheit und Harmonie, liegt doch bei diesen Prädikaten der Schluss nicht fern, hier sein Kitsch im Schwange. Mitnichten! An dieser Inszenierung kann nur der Zuschauer scheitern, der das Kind in sich verloren hat. Wer es noch in sich hat, der wird es fühlen. Es wird ihm verstehen helfen, was wir als Erwachsene nicht mehr verstehen können. Rationale Einsichten werden sich dabei nicht einstellen. Wie auch, es ist Theater des Absurden. Herr Goethe ist, zumindest den Eingangssatz betreffend, mit dieser Inszenierung widerlegt.

 
Wolf Banitzki

 

 


Der Sommer

von Romain Weingarten

Dramatische Erzählung in sechs Tagen und sechs Nächten

Ulrike Arnold, Felix Kuhn, Gerd Lohmeyer, Johannes Herrschmann

Regie: Gerd Lohmeier

Metropol Theater Der Golem nach Gustav Meyrink


 
 
Auf der Suche nach dem innersten Ich

Eine sonderbare Geschichte wurde dem Besucher der Vorstellung "Der Golem" im Metropoltheater da erzählt, eine Geschichte, die am Ende zwar einen Sinn erhielt, doch vieles unerhört ließ. Ein Mann erwacht in einem Hotel nach nur einstündigem Schlaf und glaubt, in dieser Zeit ein 33jähriges anderes Leben geführt zu haben, das Leben des Gemmenschneiders Athanasius Pernath. Der Traum ließe sich wohl leicht als solcher abtun, wenn er nicht den Hut besagten Pernaths in den Händen hielt.

Jochen Schölch, Stückentwickler, wie er sich selbst nennt, und Regisseur, bediente sich für dieses außerordentliche Theaterereigniss einer Vorlage, die im zweiten Dezennium des 20. Jahrhundert Triumphe feierte. Der Roman "Der Golem" von Meyerink, ein Bestseller seiner Zeit, traf wohl den Nerv derselben. Im Prager jüdischen Viertel, unterhalb des Hradschins angesiedelt, beschreibt es ein Leben voller Düsternis und Armut, in dem Liebe und Leid, Reichtum und Elend und auch Mord Hand in Hand einhergehen.
Das vom Erzähler durchlittene Leben ist voller Dramatik, das ihn immer wieder herausfordert und zu Handlungen zwingt, denen er sich nur widerwillig ergibt. Der Besuch eines Mannes mit schräg stehenden Augen und hervorspringenden Wangenknochen, einem Gang, als würde er gleich vornüberfallen, bringt alles aus dem Lot, denn Pernath erkennt in dieser Erscheinung eigenen Züge. Wer ist er, Pernath, der sich an seine Vergangenheit nur dunkel und bruchstückhaft erinnern kann und von dem behauptet wird, er sei früher wahnsinnig gewesen? Ist er gar der Golem?
 
   
 

Birthe Wolter, Matthias Grundig, Bernhard Letizky

© Hilda Lobinger

 

Sein Freund, der Archivar Hillel im Rang eines Rabbis, hilft ihm, diesen Wahn zu überwinden und erklärt nebenher die Legende vom Golem als immer wiederkehrende virulente Erscheinung im Glauben der Menschen:

"Immer einmal in der Zeit eines Menschenalters geht blitzschnell eine geistige Epidemie durch die Judenstadt, befällt die Seelen der Lebenden zu irgendeinem Zweck, der uns verhüllt bleibt, und läßt wie eine Luftspiegelung die Umrisse eines charakteristischen Wesens erstehen, das vielleicht vorjahrhunderten hier gelebt hat und nach Form und Gestaltung dürstet."
Hillel ist ein weiser Mann, der die Menschen kennt und so vermag er dieses Phänomen auch als die verzweifelte und schmerzhafte Suche nach dem innersten Ich zu erklären:
"Auch ein silberner Spiegel, hätte er Empfindung, litte nur Schmerzen, wenn er poliert wird. Glatt und glänzend geworden, gibt er alle Bilder wieder, die auf ihn fallen, ohne Leid und Erregung."
"Wohl dem Menschen", setzte er leise hinzu, "der von sich sagen kann: Ich bin geschliffen."

Jochen Schölch nennt den Vorgang der Dramatisierung zu Recht eine Stückentwicklung, denn er hat den Meyrinkschen Prosatext zu einer Spielfassung arrangiert. So wurde daraus kein Drama, sondern Erzähltheater. Das tat der Sache jedoch keinen Abbruch, denn ihm gelang eine hoch verdichtete atmosphärische Geschichte, die wie ein Krimi fesselte. Zudem und ganz nebenher erbrachte er wieder einmal den Beweis, dass für gutes Theater kaum mehr als eine Handvoll Requisiten und zwei Quadratmeter Spielfläche ausreichend sind. Große Unterstützung erfuhr dieses minimalistische Werk durch die ausgefeilte Lichtregie von Tobias Zohner, die auf suggestive Weise die Aufmerksamkeit des Betrachters lenkte. Zentrales Objekt des Bühnenbildes war ein Konstrukt, das sich durch Kippen und Drehen in ein Bett, eine Tür, einen Innenraum, eine Gefängniszelle und in ein Gartentor verwandeln ließ. Einzig die Verwendung des Materials (Edelstahl o.ä.) störte, denn es erinnerte doch sehr an eine Designerküche und verlieh Schwere. So entstand auch eine Diskrepanz zum restlichen Bühnenbild von Quint Buchholz, bestehend aus Kleiderpuppen, die unaufdringlich im Hintergrund die Bevölkerung des Viertels ins Bewusstsein rückten.

Matthias Grundig als Erzähler und Pernath schien für diese Rolle wohl die Idealbesetzung zu sein. Er schuf eine Gestalt, die in Bezug auf physische Präsenz nichts zu wünschen übrig ließ. Sein gestisches und mimisches Vermögen half unmissverständlich beim Offenlegen der tiefenpsychologischen Vorgänge, soweit sie überhaupt auszuloten waren, denn hier spielte ein Mythos die Hintergrundmelodie. Einzelne Darsteller hervorzuheben hieße, anderen unrecht tun. Die Inszenierung war auf Ensemblespiel angelegt und diesem Anspruch wurden alle Beteiligten gerecht. Eine Besonderheit wäre jedoch noch zu unterstreichen. Regisseur Schölch verpflichtete "Unsere Lieblinge", den Münchnern hinlänglich bekannt. Ihre musikalische und Geräuschunterstützung steigerte die Intensität der Abläufe immens. Einziger Wermutstropfen waren die teilweise englischsprachigen Texte, die dissonant das Bild Prags zu Zeiten Kafkas beeinträchtigten.

Ein Geheimnis blieb auf der Suche des Erzählers und genau das war die dominante Wirkung des Abends, wie man an der aufgeregten Reaktion des Publikums nach der Vorstellung spüren konnte. Als er am Ende zu einem fantastischen Ort gelangte, um Herrn Pernath seinen Hut zurück zu bringen, der versehentlich gegen seinen vertauscht worden war, stand er sich unvermittelt selbst gegenüber. Und als Herr Pernath ihm ausrichten ließ: "Er wolle nur hoffen, daß der seinige Ihnen keine Kopfschmerzen verursacht habe", war alles wieder offen.

 
Wolf Banitzki

 

 


Der Golem

nach Gustav Meyrink

Eine Stückentwicklung von Jochen Schölch

Matthias Grundig, Bernhard Letizky, Birthe Wolter, Lilly Forgách, Felix Kuhn, Konstantin Moreth, Stefan Noelle, Alex Haas

Regie: Jochen Schölch
Metropol neu
  Metropoltheater

 

 

Spielplan


 

  • Die Grönholm Methode von Jordi Galceran - Premiere am 07.06.07
  • Dogville von Lars v. Trier - Premiere am 19.04.07
  • Selber fremd Samuel Beckett trifft Karl Valentin - Premiere 01.03.07
  • Caligula von Albert Camus - Premiere am 15.01.07
  • Lantana von Andrew Bovell - Premiere am 12.10.06